
Weinbergschnecken auf der Spur
- von Reinhold
Dank dem regnerischem Wetter tummelten sich etliche Weinbergschnecken im Garten. Anlass genug sich diese wunderbaren Tiere einmal genauer anzusehen. Begegnet bin ich dabei messerscharfen Abenteuern, Liebespfeilen und Raspelzungen. Aber der Reihe nach.
Den Namen bekam die Weinbergschnecke durch das früher häufige Vorkommen in Weinbaugebieten. Der englische Name “roman snail” dagegen führt auf die Bedeutung als Lebensmittel während der Römerzeit zurück, und die damit verbundene Verbreitung. Zahlreiche Funde von Weinbergschneckenschalen in römischen Müllhaufen dokumentieren diese kulinarische Vorliebe. Allein in Frankreich werden übrigens noch immer jährlich 40.000 Tonnen Schnecken verzehrt. Mahlzeit!
Apropos Mahlzeit. Was frisst eigentlich so eine Weinbergschnecke? Weinbergschnecken sind strenge Veganer und ziehen im Allgemeinen sogar welke Nahrung frischen grünen Pflanzenteilen vor. Da sie auch nicht in so großen Mengen wie die gefürchteten Spanischen Wegschnecken auftreten, kann man sie kaum als Gartenschädling bezeichnen. Die eingesetzten Gifte zeigen aber auch bei ihnen Wirkung und die Weinbergschnecke steht in Österreich mittlerweile unter Naturschutz.
Stil mit Stielaugen
Hast du einer Weinbergschnecke schon mal in die Augen geschaut? Sie sitzen am Ende der großen Fühler und können suchend herumgeschwenkt werden um ein möglichst großes Sichtfeld zu erreichen. Wie die Finger eines Handschuhs können die Fühler eingezogen werden und im Inneren des Kopfes verschwinden. Besonders bei jungen Schnecken kann man beobachten wie das Auge als dunkler Punkt dabei durch den Fühler wandert! Die Weinbergschnecke hat auch noch zwei kleinere Fühler, die vor allem Richtung Boden gerichtet sind und viel versprechende Geruchsspuren verfolgen. Beide Fühlerpaare sind dicht mit Geruchs- und Geschmackssinneszellen besetzt und auch am Körper verteilt finden sich weitere Sinneszellen. Nur hören kann die Weinbergschnecke nicht. Anschreien bringt also rein gar nichts.
Reinschaufeln wie ein Bagger
Ist Nahrung einmal aufgespürt, kommt die Raspelzunge, die Radula, zum Einsatz. 40.000 mikroskopisch kleine Zähnchen auf der Zunge lösen kleine Teilchen aus der Nahrung und befördern sie wie das Band eines Schaufelradbaggers in den Schlund. Im hinteren Bereich der Zunge entstehen dabei ständig neue Zähnchen, um die abgenutzen zu ersetzen. Wenn die Schnecke mit der Zunge die Mündung ihres Gehäuses von Schleimresten befreit, kann man angeblich sogar mit bloßem Ohr ein Raspeln vernehmen. Ich halte meine Ohren gespitzt!
Einschleimen wie ein Profi
Mit Hilfe einer großen Schleimdrüse sondert die Weinbergschnecke ein Schleimbett ab auf dem sie kriecht. Der Schleim verringert die Reibung am Untergrund und unterstützt die Schnecke dabei sich perfekt an die Oberfläche anzupassen und Verletzungen zu vermeiden. So kommt sie nicht nur über Dornen und scharfe Pflanzenteile, sogar die Klinge eines scharfen Messers überwindet sie mühelos.
Zur Abwehr kleiner Feinde setzt die Weinbergschnecke große Mengen eines dünnflüssigen Schleims ein, den sie durch stoßweise aus der Atemhöhle ausgeblasene Luft aufschäumt. Dabei gibt sie auch zischende Geräusche von sich. Angreifende Ameisen gehen so schnell wieder ihres Weges.
Von den Fingern kann man den Schleim nur schwer abwaschen. Er löst sich in Wasser nicht auf, sondern nimmt vielmehr Wasser auf. Dieser wirksame Verdunstungsschutz durch die Schleimschicht ist für die Schnecke überlebenswichtig. Da es Schnecken immer feucht brauchen ziehen sie sich in Trockenperioden daher in ein geeignetes Versteck zurück.
Liebe im Schneckentempo
Im Schneckentempo eine PartnerIn zu finden kann herausfordernd sein. Daher sind alle Landlungenschnecken Zwitter, haben also weibliche und männliche Geschlechtsorgane. So klappt es immer mit der Fortpflanzung, egal wen man trifft.
Einmal zusammengetroffen, kennt die Leidenschaft keine Grenzen. Alleine das Vorspiel bis zur eigentlichen Paarung kann mit zunehmender Erregung bis zu 20 Stunden dauern, die Begattung selbst geht dann aber flotter von statten. Weinbergschnecken haben auch noch ein spezielles Spielzeug in ihrem Repertoire – einen Liebespfeil. Im Verlauf des Liebesspiel kann eine Schnecke diesen kleine Kalkpfeil dem Partner in den Fuß stechen. Die gestochene Schnecke wird deutlich erregter und aktiver und revanchiert sich manchmal etwas später, indem sie ihrerseits dem Partner einen Liebespfeil in den Körper sticht.
Etwa 4 bis 6 Wochen nach der Paarung, meist von Ende Juni bis im August, legt die Weinbergschnecke ihre Eier in kleine Erdhöhlen an einem geschützten Ort. Nach 25-26 Tagen schlüpfen daraus die Jungschnecken, bereits ausgestattet mit kleinen glasartigen Häusern.
Ein Leben wie mit Wohnmobil
Bis zur Geschlechtsreife im Alter von etwa drei Jahren wächst das Gehäuse laufend mit, sowohl in Größe, also auch in der Wanddicke. Die Schale einer frisch geschlüpften Jungschnecke bringt gerade 1,5 Windungen auf den Buckel. Wie viele kannst du bei Schnecken beobachten?
Für ihre Überwinterung verschließen Weinbergschnecken das Gehäuse mit einem Kalkdeckel, der vor eindringendem Eis schützt. In mit Moos ausgekleideten Erdhöhlen und einen auf das Notwendigste reduzierten Kreislauf, kann die Weinbergschnecke so Frosttemperaturen von bis zu -40°C überstehen.
Kleinere Schäden am Gehäuse kann die Schnecke sogar reparieren. Diese Stellen unterscheiden sich dann aber durch eine körnige, unregelmäßige Oberflächenstruktur von der herkömmlichen Schale.
Mich haben diese faszinierenden Tiere in ihren Bann gezogen und ich freue mich schon auf weitere Begegnungen mit ihnen.
Quellen:
http://www.weichtiere.at/
https://www.donauauen.at/nature/fauna/molluscs/weinbergschnecke/1253


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